Eine Scheidung verursacht Anwalts- und Gerichtsgebühren. Viele Ehepaare scheuen den Kostenaufwand, schieben die Trennung fortlaufend auf oder leben dauerhaft getrennt, ohne sich scheiden zu lassen. Fehlen die notwendigen finanziellen Mittel für die Scheidungskosten, hilft der Staat, indem für die Scheidung Verfahrenskostenhilfe gewährt wird.
Das Wichtigste zusammengefasst
- Prozesskostenhilfe und Verfahrenskostenhilfe sind das Gleiche
- VKH wird bewilligt, wenn jemand aufgrund seiner finanziellen Lage die Scheidungskosten nicht selbst tragen kann
- bei Bewilligung übernimmt der Staat die Gerichts- und Anwaltskosten einer Scheidung
- abhängig von der finanziellen Situation kann die Rückzahlung der Verfahrenskostenhilfe verlangt werden
Inhaltsverzeichnis
Was ist Verfahrenskostenhilfe?
Verfahrenskostenhilfe (VKH) ist eine staatliche Unterstützungsleistung, die es Ehepartnern ermöglicht, die Scheidung ihrer Ehe zu bewerkstelligen. Auf Antrag erhält jede Person Verfahrenskostenhilfe, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht in der Lage ist, die Kosten des Scheidungsverfahrens aufzubringen.
Wird Verfahrenskostenhilfe vom Familiengericht bewilligt, übernimmt die Staatskasse meist die Anwalts- und Gerichtsgebühren in voller Höhe. Der Antragsteller braucht dann keinerlei Kosten zu tragen. Erst ab einer gewissen Einkommensgrenze sind die von der Gerichtskasse verauslagten Kosten in Teilbeträgen zurückzuzahlen. So ist die Verfahrenskostenhilfe, je nachdem, unter welchen Voraussetzungen sie bewilligt wird, ein Geschenk auf Staatskosten oder ein Darlehen.
Prozesskostenhilfe oder Verfahrenskostenhilfe?
Im Scheidungsverfahren sollen sich die Ehegatten möglichst nicht als Prozessgegner gegenüberstehen. Nach der Sprachregelung des Gesetzes ist die Scheidung deshalb ein gerichtliches Verfahren und kein Prozess. Die Ehegatten werden daher nicht als Kläger und Beklagte, sondern als Antragsteller und Antragsgegner bezeichnet. So sind, abgesehen vom Namen, Prozesskostenhilfe und Verfahrenskostenhilfe das Gleiche.
Prozesskostenvorschuss durch Ehepartner hat Vorrang
Bevor Verfahrenskostenhilfe für die Scheidung bewilligt wird, ist zu prüfen, ob der Ehegatte als Antragsteller gegenüber dem Partner als Antragsgegner Anspruch auf einen Prozesskostenvorschuss hat. Ehepartner sind unterhaltsrechtlich verpflichtet, einander für einen Rechtsstreit in persönlichen Angelegenheiten (z.B. Scheidung) einen Verfahrenskostenvorschuss zu bezahlen. Wird der Vorschuss gezahlt, braucht das Geld nicht erstattet werden. Der Anspruch besteht auch dann, wenn der Ehegatte als Antragsgegner die Scheidung ablehnt und das Scheidungsverfahren entgegen seinem Interesse finanzieren muss.
Was deckt die Verfahrenskostenhilfe bei Scheidung ab?
Die Prozesskosten deckt zunächst die Gerichtsgebühren für das Scheidungsverfahren ab, so das der Antragsteller keinen Gerichtskostenvorschuss zu zahlen hat. Auf Antrag übernimmt die Gerichtskasse zudem die Kosten für eine anwaltliche Vertretung, wobei der Antragsteller den Anwalt selbst auswählen kann. Die Verfahrenskostenhilfe deckt auch die Kosten, die bei der eventuell beantragten gerichtlichen Regelung von Scheidungsfolgen (z.B. Zugewinnausgleich, Umgangsrecht) anfallen.
Soweit die Parteien außergerichtlich eine Scheidungsfolgenvereinbarung notariell beurkunden, sind die anfallenden Notargebühren jedoch von den Parteien selbst zu bezahlen.
Wie Verfahrenskostenhilfe für Scheidung beantragen?
Verfahrenkostenhilfe wird nur auf Antrag bewilligt, welcher bei dem Familiengericht zu stellen, bei dem der Scheidungsantrag eingereicht wird. Dafür steht das amtliche Formular „Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bei Prozess- und Verfahrenskostenhilfe“ zur Verfügung. Im Antrag auf Prozesskostenhilfe sind Angaben zur Person und zu den Einkommens- sowie Vermögensverhältnissen zu machen, welche mit entsprechenden Belegen in Kopie (z.B. Lohnabrechnungen, Steuerbescheide) nachzuweisen sind.
Beantragt ein Ehegatte die Scheidung, empfiehlt sich, den VKH-Antrag zusammen mit dem Scheidungsantrag bei Gericht einzureichen. Der Scheidungsantrag kann mit dem Vorbehalt verbunden werden, dass das Scheidungsverfahren nur dann durchgeführt werden soll, wenn das Familiengericht auch die Verfahrenskostenhilfe bewilligt.
Beantragt der Anwalt für den Mandanten Verfahrenskostenhilfe, hat er dafür Anspruch auf eine Gebühr. Diese Gebühr wird nicht durch die außergerichtliche Beratungshilfe abgedeckt. Wickelt der Anwalt nach der Bewilligung der Prozesskostenhilfe die Scheidung ab, wird die Gebühr für den Antrag auf Verfahrenskostenhilfe übernommen. Sollte die Verfahrenskostenhilfe abgelehnt werden, kann der Anwalt die für die VKH-Beantragung anfallenden Gebühren verlangen. Möchte der Scheidungswillige dieses Kostenrisiko vermeiden, kann er beim Familiengericht selbst die Verfahrenskostenhilfe für die Scheidung beantragen.
Wird Verfahrenskostenhilfe bewilligt, veranlasst das Familiengericht die formelle Zustellung des Scheidungsantrags an den Antragsgegner. Erst mit der Zustellung wird die Scheidung rechtshängig.
Unter welchen Voraussetzungen wird Verfahrenskostenhilfe bewilligt?
Wird Verfahrenskostenhilfe beantragt, gibt es keine feste Einkommensgrenze. Auch derjenige, der trotz gutem Einkommen hohe Ausgaben hat, verfügt häufig nicht über die finanziellen Mittel, um die Kosten der Scheidung zu bezahlen. Verfahrenskostenhilfe wird daher bewilligt, wenn der Antragsteller finanziell bedürftig ist.
Bedürftigkeit ist anzunehmen, wenn kein oder nur ein geringes anzurechnendes Einkommen erzielt wird. Grundlage ist nicht das Nettoeinkommen aus der Gehaltsabrechnung, sondern das anrechnungsfähige Einkommen. Bürgergeld (früher Hartz-IV) zählt nicht als anrechnungsfähiges Einkommen. Das Einkommen reduziert sich mithin um
- Freibeträge,
- Schonvermögen,
- Steuern,
- Sozialversicherungsbeiträge,
- Private Versicherungsbeiträge
- Miete,
- Mietnebenkosten,
- berufsbedingte Aufwendungen,
- Kredite und
- Unterhaltszahlungen.
Im Übrigen muss der Scheidungsantrag hinreichende Aussicht auf Erfolg haben. Daran können Zweifel bestehen, wenn das Trennungsjahr nicht sicher nachgewiesen werden kann oder der Ehegatte als Antragsgegner vor Ablauf von drei Jahren der Scheidung widerspricht.
Welche Freibeträge gibt es?
- 552 EUR Freibetrag für Ehegatte oder Lebenspartner
- 251 EUR Freibetrag, wenn Antragsteller erwerbstätig ist,
- 462 EUR Freibetrag für unterhaltsberechtigte Kinder 15. – 18. Lebensjahr,
- 383 EUR Freibetrag für Kinder vom 7. – 14. Lebensjahr,
- 350 EUR Freibetrag für Kinder bis zur Vollendung des 6. Lebensjahres.
In den Landkreisen Fürstenfeldbruck, Starnberg und München sowie in der Landeshauptstadt München gelten abweichende, höhere Freibeträge (Bekanntmachung zu § 115 ZPO vom 22.12.2022).
Der nach Abzug der Freibeträge unter Berücksichtigung des Schonvermögens verbleibende Rest ist das einzusetzende Einkommen, das für die Gewährung von Verfahrenskostenhilfe mit oder ohne Rückzahlungsverpflichtung entscheidend ist.
Zusätzliche pauschale Freibeträge
Beim Einkommen des Antragstellers sind darüber hinaus Mehrbedarfe abzusetzen. Es gelten zusätzliche Freibeträge
- wenn der Antragsteller schwerbehindert ist und das Merkzeichen „G“ zuerkannt wurde und er entweder die Altersgrenze erreicht hat oder voll erwerbsgemindert ist;
- für Schwangere nach der zwölften Schwangerschaftswoche;
- für Alleinerziehende;
- für erwerbsfähige behinderte Leistungsberechtigte;
- für Personen, die auf kostenaufwändige Ernährung angewiesen sind;
- für Personen, bei denen im Einzelfall ein unabweisbarer, laufender, nicht nur einmaliger besonderer Bedarf besteht;
- für Mehrbedarf für Schüler, wenn Kosten zur Anschaffung oder Ausleihe von Schulbüchern anfallen;
- für Personen in Wohnungen mit dezentraler Warmwasserversorgung.
Wie hoch ist die Prozesskostenhilfe?
Ob die Prozesskosten ganz übernommen werden oder in Raten zurückgezahlt werden müssen, hängt davon ab, wie bedürftig der Rechtsuchende ist. Hat er kein oder nur ein sehr geringes Einkommen, können die Kosten vollständig aus der Staatskasse beglichen werden. Eine Rückzahlung ist dann nicht notwendig. Überschreitet das einzusetzende Einkommen die Einkommensgrenze, kann eine Rückzahlung der Prozesskostenhilfe in Raten angestrebt werden.
Mehr dazu unter Prozesskostenhilfe: Rückzahlung.
Kann ich auch Beratungshilfe beantragen?
Besteht der Wunsch nach Scheidung, können Rechtsuchende mit geringen finanziellen Mitteln im Rahmen einer ersten rechtlichen Orientierung Beratungshilfe in Anspruch nehmen. Die Beratungshilfe kann beim zuständigen Amtsgericht beantragt werden und dient als erste anwaltliche Rechtsberatung vor Beginn des Verfahrens.
Voraussetzungen wie bei PKH
Für die Bewilligung der Beratungshilfe gelten die gleichen Voraussetzungen, Freibeträge und Einkommensgrenzen wie für die Prozesskostenhilfe. Wird der Antrag auf Beratungshilfe bewilligt, erhält der Rechtsuchende einen Beratungshilfeschein, den er einem Anwalt vorlegen kann, um ein Beratungsmandat abzuschließen.
Wie viel Einkommen darf man haben um Prozesskostenhilfe zu bekommen?
Um Prozesskostenhilfe zu bekommen müssen die voraussichtlichen Prozesskosten höher als 4 Monatsraten sein. Eine Monatsrate ist die Hälfte des monatlich einzusetzenden Einkommens des Antragstellers. Nicht einsetzbar sind Freibeträge wie bspw. für die Partei und den Ehegatten/Lebenspartner in Höhe von 491 € oder für Erwerbstätige in Höhe von 223 €. Abgezogen werden außerdem Wohnkosten und Mehrbedarfe.
Wann bekomme ich Verfahrenskostenhilfe bei Scheidung?
Um Verfahrenskostenhilfe zu bekommen muss das Scheidungsverfahren Aussicht auf Erfolg haben, also bspw. das Trennungsjahr abgelaufen sein oder demnächst ablaufen. Außerdem muss der Antragsteller Bedürftigkeit vorweisen, er ist also nicht in der Lage die Verfahrenskosten zu zahlen.